Sorgfaltspflicht: Unfälle beim Ein- und Aussteigen

 

Die Sorgfaltsanforderung nach der Straßenverkehrsordnung erfasst auch Situationen beim Ein- und Aussteigen. Hierauf wies der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall hin, in dem sich der Insasse eines Kraftfahrzeugs im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug gebeugt hatte. Komme es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden Lkw, könne eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein. Die Richter machten deutlich, dass dabei unerheblich sei, ob der Fahrer etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen helfen wolle.

 

Ähnlich entschied das Kammergericht (KG) in Berlin. Komme es im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür eines Pkw, der im Haltestellenbereich eines Linienbusses steht, zu einer seitlichen Kollision mit einem anfahrenden Bus, so spreche der Anscheinsbeweis für eine Verletzung der Sorgfaltspflichten. Die Richter hielten im konkreten Fall eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten des Pkw-Halters für angemessen. Er habe grob verkehrswidrig gehandelt, wenn er trotz herannahendem Bus nach dem Aussteigen nach links nicht die Fahrertür vollständig schließe und sich von der Fahrbahn entferne oder sich wenigstens vor oder hinter seinen Pkw begebe. Ein Mitfahrer müsse zudem mit dem Aussteigen so lange warten, bis sich links kein Verkehr nähert, der dadurch gefährdet werden könnte (BGH, VI ZR 316/08; KG, 12 U 175/08).

Unfallschadensregulierung: Nutzungsausfallentschädigung für die gesamte Zeit

 

Verfügt der Geschädigte nicht über die Mittel zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten und zeigt er dies dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer an, ohne dass diese den Betrag der erforderlichen Reparaturkosten zahlen, kann der Geschädigte Nutzungsausfall für den gesamten Zeitraum der hierdurch verlängerten Reparatur verlangen. Hierauf wies das Amtsgericht (AG) Magdeburg in einem Rechtsstreit hin. Nach einem Unfall mit voller Einstandspflicht der Beklagten hatte die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie für eine Zwischenfinanzierung der Reparaturkosten kein Geld habe. Erst zwei Monate später kam eine Zahlung des Versicherers, woraufhin die Reparatur durchgeführt wurde. Das AG sprach der Klägerin eine Entschädigung für die gesamte Ausfallzeit zu, nicht nur für die reine Reparaturdauer. Den Einwand, die Klägerin habe sich notfalls durch Kreditaufnahme um eine Zwischenfinanzierung kümmern müssen, wies das AG zurück. Eine solche Pflicht zur Vorfinanzierung bestehe grundsätzlich nicht. Im Übrigen habe die Klägerin ihre Mittellosigkeit rechtzeitig mitgeteilt (AG Magdeburg, 140 C 24569/08).

Trunkenheitsfahrt: Ausfallerscheinungen begründen keinen Vorsatz

 

Allein aus nachträglichen Ausfallerscheinungen können keine Rückschlüsse auf das Bewusstsein des Angeklagten gezogen werden, dass seine Gesamtleistungsfähigkeit so gravierend beeinträchtigt ist, dass er es zumindest für möglich und bei der Fahrt billigend in Kauf genommen hat, den im Verkehr zu  stellenden Anforderungen nicht mehr zu genügen. Mit dieser Begründung hob das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart die  Verurteilung eines Autofahrers wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung auf. Die Vorinstanz hatte den Vorsatz u.a. mit nach dem Verkehrsunfall vom Polizeibeamten festgestellten Ausfallerscheinungen  begründet. Das hat das OLG als unzulässig und unzureichend beanstandet. Auch die weitere Überlegung des Amtsgerichts, der Angeklagte sei nach dem Unfall orientiert und bei klarem Bewusstsein gewesen, trug nach Auffassung des OLG nicht die Überzeugung, der Angeklagte habe hinsichtlich seiner  alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Die mangelnde Beeinträchtigung hinsichtlich Denkablauf, Bewusstsein und Verhalten könne nicht als tragender Beweis gewertet werden, dass sich der Angeklagte seiner Fahruntüchtigkeit bewusst war. Eine Diskrepanz zwischen dem subjektiven Verhaltensbild und dem Ergebnis der  Atemalkoholmessung - welchem auch insoweit nur Indizwirkung zukommt - könne sich nämlich aus einem sog. Nüchternschock ergeben. Dieser liege nahe, wenn der Täter einen Unfall verursacht hat (OLG Stuttgart, 2 Ss 159109).

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